Eine unscheinbare Frage und ihre Folgen

24.03.24, 18:32
  • OA St. Servatius Innenstadt
Dr. Andrea Korte-Böger
Taufbecken Servatiuskirche (c) Martina Sedlaczek

Es begann mit der kleinen, freundlichen Frage unseres scheidenden Diakons Takuro JOHANNES Shimizu: „Welcher Künstler hat eigentlich die Täufergruppe auf dem Taufstein gemacht, der in St. Servatius steht?" Ich wusste es nicht.

Johannes in Holz und Becken (c) Dr. Andrea Korte-Böger

Tatsächlich hatte mich bei Führungen auch noch nie jemand danach gefragt, nur einmal bekam ich vom Pfarrbüro eine schriftliche Anfrage weitergeleitet mit der Frage, was das denn für eine Zweiergruppe auf einem runden Stein im Eingangsbereich der Kirche sei, wo der Mann eine Frau mit einem Stein auf den Kopf schlagen würde? In meiner damaligen Antwort versuchte ich das Taufgeschehen zwischen Jesus und Johannes dem Täufer seriös zu erklären und mein Entsetzen über diese Frage zu verbergen.

Nunmehr machte ich mich aber auf in die Recherche und fragte als Archivarin erst einmal einen Kunsthistoriker nach einer allgemeinen Einschätzung des möglichen Entstehungsdatums: 1930er-, eher 1950er-Jahre.

Also, so meine nächste Überlegung, könnten es vielleicht noch alte Kirchenbesucher wissen und so befragte ich als nächstes alte Servatianerinnen und Servatianer, die zwar vor Jahrzehnten einmal über diesem Taufbecken getauft worden waren, aber zum Deckel nicht wussten – der war ja damals auch herunter genommen wordenJ. Auch der Kunstführer aus der Reihe der Rheinischen Kunststätten schwieg sich aus. Ein Tipp auf einen Buchartikel zur Taufkapelle in St. Servatius strotze nur so vor Fehlern, dass ich dem dort genannten Namen nicht traute. Er stellte sich dann aber später als richtig heraus!

Taufbecken Servatiuskirche (c) Martina Sedlaczek

Ich verlegte meine Recherche ins Pfarrarchiv und fand dort in der Pfarrchronik von St. Servatius einen Zeitungsartikel zu alten Taufsteinen im damaligen Siegkreis aus dem Jahr 1954, der auch unseren Taufstein mit dem schönen Deckel vorstellte, sich aber inhaltlich ausschließlich auf den aus der Romanik stammenden Stein beschränkte. Damit hatte ich zumindest einen zeitlichen Endpunkt der Recherche: vor 1954 entstanden. Aus der im vergangenen Jahr erarbeiteten Ausstellung „St. Servatius in alten Ansichten“ wusste ich, dass aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg kein altes Foto uns ein Bild des Taufsteins überliefert und schloss somit eine Bildrecherche aus.

Ich blätterte und las in Baurechnungen, da ich inzwischen herausgefunden hatte, dass die heutige Marienkapelle 1949 als Taufkapelle eingerichtet worden war, in der Hoffnung, auch etwas zur Bekrönung des Steins zu finden – nichts.

Ich bat einen starken Mann, mir zu helfen, den Deckel abzuheben und nach einem Monogramm oder einem Signum des Künstlers zu suchen – nichts.

Taufbecken_Servatiuskirche (c) Martina Sedlaczek

Wieder zurück im Pfarrarchiv fing ich nun an, die Protokolle des Kirchenvorstands zu lesen und begann mit den ersten Protokollen 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg in der Überlegung, dass man ja irgendwann einmal dort den Umbau der Kapelle besprochen und beschlossen haben müsste – und wurde fündig!

Sitzung vom 4. Januar 1949: Mit dem Ausbau der neuen Taufkapelle nach den Entwürfen des Architekten P. Krücken an der südlichen Vorhalle wurde begonnen. … In der Taufkapelle wird der alte Taufstein wieder seine Aufstellung finden, nachdem er kürzlich einen neuen künstlerisch sehr wertwollen Deckel aus Kupfer und Messing erhalten hat. Entwurf und Ausführung stammen vom den Kölner Bildhauer Eduard Schmitz. Da hatte ich ihn!

Figuren Taufstein Servatiuskirche1 (c) Martina Sedlaczek

Sowohl der Architekt Krücken als auch der Bildhauer Schmitz sind in der Siegburger Nachkriegsgeschichte keine Unbekannten. Architekt Krücken ist der Wiederaufbauarchitekt der zerstörten Abteikirche, Bildhauer Schmitz renovierte beim Wiederaufbau die gesamte Choranlage, entwarf die Gedenk- und Deckeltafeln zum Annograb, aber auch den herrlichen Tabernakel der Abteikirche.

Johannes in Holz und Becken2_akb (c) Dr. Andrea Korte-Böger

Mit der Fertigstellung und Weihe im September 1953 von St. Michael schnitzte Schmitz dann in den nächsten Jahren aus hartem Eichenholz je nach Auftrag die sog. Stifterfiguren, die einst das vernichtete Chorgestühl zierten und die jetzt in einem Flur des Tagungshauses hängen. Auch dort gibt es einen Johannes den Täufer. Bei der guten Beziehung zwischen der Stadtpfarrei St. Servatius und der Abtei nimmt es nicht Wunder, dass man auch im baulichen Sektor zusammenarbeitete.

Nunmehr kann bei jeder Führung daraufhin gewiesen werden, dass die Bekrönung des romanischen Taufsteins in St. Servatius 1949 durch den Kölner Bildhauer Eduard Schmitz (1897-1965) geschaffen wurde.

Und ich konnte unserem Diakon Shimizu mitteilen: „Ich habe ihn!“ Wir freuten uns gemeinsam!

Für Johannes hat dieses Ergebnis sicherlich noch eine besondere Bedeutung, den Künstler zu kennen, denn er, der sich den Taufnamen Johannes wählte, hat zudem entschieden, dass sein Primizgewand diese Figurengruppe vom Deckel des Taufsteins aus St. Servatius zieren solle.

An der Umsetzung wird zur Zeit in der Paramentenwerkstatt in der Abtei Mariendonk gearbeitet. Schließlich muss es zu seiner Primzifeier in St. Servatius am 16. Juni fertig sein.

 

Literatur zu Eduard Schmitz findet sich in der Reihe der Siegburger Studien Neue Folge Bd. 3, Siegburg 2016, S. 82: Jens Kröger: Eduard Schmitz – eine biographische Skizze.

Figuren Taufstein Servatiuskirche (c) Martina Sedlaczek

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