Opa meinst Du ...

13.11.23, 21:00
Dr. Werner Schneider

Unser Gemeindemitglied Herr Dr. Werner Schneider hat in einer fiktiven Unterhaltung zwischen Enkelin und Opa einige seiner Gedanken zur katholischen Kirche verarbeitet. Dieses Gespräch aht er uns zur Verfügung gestellt, nachdem er vor einiger Zeit an einer Ortsausschussitzung der Innenstadt teilnahm. Er schrieb uns anschließend: "Die Ortsausschuss-Sitzung am Freitag hat mich sehr beeindruckt. Ich bewundere immer wieder, wie kleine Gruppen engagierter Christinnen und Christen wertvolle ehrenamtliche Arbeit leisten. Der Opa meines Textes lässt dies im Schlussabschnitt hoffentlich eindrucksvoll anklingen."

Opa, meinst Du, die Katholische Kirche wäre was für mich?

Enkelin Michaela, Tochter katholischer Eltern, die aus der Kirche ausgetreten sind, ungetauft, aus Berlin zu Besuch bei ihrem Opa in Siegburg, erfolgreiche Journalistin, seit längerem auf der Suche nach einer religiösen Heimat, hochgradig verliebt in ihren Freund Manuel, Großvater Wolfgang, amtskirchen-kritischer Katholik, in seiner Jugend Messdiener und Vorbeter im Gottesdienst, später Mitglied des Pfarrgemeinderates, manchmal von Zweifel geplagt, aber letztlich überzeugt von einem Leben nach dem Tod; seit vielen Jahren verheiratet mit einer protestantischen Ehefrau. 

Michaela:  Opa, in unseren früheren Gesprächen habe ich oft gemerkt, dass Dir Deine Religion sehr viel bedeutet. Du gehst mit Oma zum Gottesdienst in die Kirche; manchmal in eine katholische und manchmal in eine evangelische Kirche. Ich gehe in keine, möchte aber eigentlich gern zu einer religiösen Gemeinschaft gehören, am liebsten zu einer christlichen Gemeinschaft. Meinst Du, Opa, die Katholische Kirche wäre etwas für mich?

Opa Wolfgang: Ja und Nein.

Michaela: Was meinst Du damit?

Opa Wolfgang: Damit meine ich folgendes: Wenn Du die Grundgedanken des christlichen Glaubens betrachtest, wie Jesus sie vor 2000 Jahren verkündet hat, so wirst Du sagen, das ist eine wunderbare und faszinierende Sache. In den ersten Jahrhunderten haben die „Heiden“ über die Christen gesagt „Seht, wie sie einander lieben.“  

Wenn Du aber das anschaust, was einige unbarmherzige Päpste und Kardinäle aus diesen Grundgedanken des christlichen Glaubens gemacht haben, und was auch heute, im 21. Jahrhundert, noch einige erzkonservative Kardinäle und Bischöfe daraus machen, wirst Du Zweifel bekommen, ob die Katholische Kirche die richtige für Dich ist.  

Damit solche Zweifel jedoch verdrängt werden können, möchte ich Dir zunächst die Grundideen der Katholischen Kirche erläutern. Später werde ich Dir beschreiben, was es bedeutet, aktives oder passives Mitglied einer katholischen Gemeinde zu sein.

Michaela: Ich werde Dir gern und konzentriert zuhören.

Opa Wolfgang: Das Fundament des christlichen Glaubens ist die Gottesliebe und die Nächstenliebe. Das heißt, ich als Christ glaube, dass es Gott gibt, und ich verehre ihn in meinem Gebet. In der Nächstenliebe unterstütze ich Menschen, die meine Hilfe benötigen, und ich versuche, fair und gerecht zu meinen Mitmenschen zu sein. Und dieses Fundament des christlichen Glaubens beruht nicht auf irgendwelchem Zwang, sondern auf dem Prinzip der Freiheit. Gott hat den Menschen als freien Menschen geschaffen. Der Mensch hat die Freiheit, an Gott und an ein Leben nach dem Tod zu glauben oder dies nicht zu tun. Auch ein Christ ist frei in seinem Handeln, zum Guten wie zum Bösen. Gott lässt ihn gewähren und greift nicht in das Handeln des Menschen ein. Weder verhindert oder fördert Gott gutes Handeln, noch greift Gott ein, wenn Verbrecher einen Mord begehen oder einen Krieg anzetteln. Das ist ein großes Problem für gläubige Menschen. Denn wenn Gott gütig und allmächtig ist und seine „Kinder“ liebt, warum verhindert er dann nicht das Böse in der Welt? Die Theologen sprechen in diesem Zusammenhang von Theodizee.  Du, liebe Michaela, entscheidest über Dein Leben.  Nur Du entscheidest, ob Du einer Kirche angehören willst oder ohne kirchliche Bindung Dein Leben gestalten möchtest.  

Michaela: Opa, lass uns doch mal konkret werden. Du bist nicht nur gut informiert in religiösen Dingen, Du kannst sie auch verständlich erklären.

Opa Wolfgang: Danke für das Kompliment. Ich bin nur gläubiger Christ, kein Theologe. Und um informiert zu sein, habe mir zum Beispiel den katholischen Jugendkatechismus YOUCAT gekauft. Er ist im Jahr 2011 erschienen und in mehr als 30 Sprachen übersetzt worden.  

Michaela: Na prima. Was sagt denn der Jugendkatechismus zum Beispiel über junge Menschen wie mich und meinen Freund Manuel?  Wir sind ziemlich verliebt und wohnen in einer Wohngemeinschaft.

Opa Wolfgang: Tja, da fangen die Probleme schon an. Falls ihr, wie ich vermute, in einem gemeinsamen Zimmer nicht nur schlaft, so sieht das der YOUCAT gar nicht gern und empfiehlt Enthaltsamkeit, auch vor einer geplanten Ehe.

Michaela: Enthaltsamkeit? Wir lieben uns doch, und werden sicherlich heiraten. Und bis dahin sollen wir enthaltsam sein?  Der Manuel ist ganz verrückt nach mir und lacht mich aus, wenn ich ihm Enthaltsamkeit vorschlage.  

Aber lass mal. Es ist für mich nicht entscheidend, was der YOUCAT sagt. Manuel und ich sind vernunftgeleitete Menschen, jedenfalls meistens, und wir tun, was wir vor unserem Gewissen verantworten können. Was sagt denn eigentlich Dein Jesus zu diesen und anderen Geboten und Verboten des YOUCAT?

Opa Wolfgang: Jesus und die Amtskirche oder Jesus und der YOUCAT, das sind sehr oft zwei sehr verschiedene Dinge. Jesus, der Sohn Gottes und Gründer der Kirche, war ein Mann der Barmherzigkeit, der Liebe und der Vergebung. Er hatte großes Verständnis für die Probleme und Sorgen der Menschen. Jesus ist in die Welt gekommen, um den Menschen Hoffnung zu geben in ihrem Leben auf der Erde und die Zuversicht, dass es ein Leben nach dem Tod geben wird. Er hat viele Menschen von schweren Krankheiten geheilt und hat seine Zuhörer in Bildern und Gleichnissen ermuntert, liebevoll und barmherzig miteinander umzugehen.

Michaela: Dieser Jesus ist mir sehr sympathisch. Mit ihm könnte ich mich anfreunden. Aber mit der Amtskirche und ihrem YOUCAT nicht. Ich hoffe, Jesus kommt noch einmal in die Welt und befreit die Katholiken von der Knechtschaft des YOUCAT.  

Opa Wolfgang: Michaela, Du hast Humor und bist ein kluges Enkelkind. Ich habe noch eine wichtige Information für Dich: Du hast vielleicht gehört oder gelesen, dass in Deutschland im Jahr 2022 mehr als 500.000 Katholiken aus der Kirche ausgetreten sind. Manche sind ausgetreten, weil sie die Kirchensteuer nicht mehr bezahlen wollten. Andere sind ausgetreten, wegen der Missbrauchsfälle, wegen der Versuche von Bischöfen und Kardinälen, sie zu verheimlichen oder wegen der unbarmherzigen  Behandlung der  missbrauchten Kinder und Jugendlichen durch Verantwortliche der Kirche.  Diese fast weltweit ans Licht gekommenen Missbrauchsfälle sind furchtbar und durch nichts zu entschuldigen. Es gab und gibt Fälle von Kindesmissbrauch auch in Sportvereinen, in der Unterhaltungsindustrie und sogar in Familien. Aber diese Untaten wurden und werden nicht von Priestern begangen, die von der Kanzel ihrer Kirchen über leichte und schwere Sünden predigten und danach in ihrem eigenen Leben in übelster Weise zu Sündern wurden. Aber selbst diese entsetzliche Phase der Kirche wird ihr wunderbares Fundament nicht zerstören.  Denn wenn ich die offene und an die Medien weiter gegebene aktuelle Aufarbeitung von Missbrauchsfällen betrachte, so stimmt mich das hoffnungsvoll. Ich denke dabei an die mündliche und schriftliche Reaktion des Bischofs Franz Overbeck von Essen auf den im September 2023 bekanntgewordenen Missbrauch einer Minderjährigen durch den zu seinen Lebzeiten hoch angesehenen Bischof und späteren Kardinal Franz Hengsbach.    

Im Erzbistum Köln war der Prozentsatz der Ausgetretenen besonders hoch. Hieran war in meinen Augen der Erzbischof von Köln durch Fehlentscheidungen, durch unchristliche Anweisungen und Verbote und durch seinen Widerstand gegen den als Synodaler Weg bezeichneten Reformprozess der Katholischen Kirche zu einem hohen Anteil mitverantwortlich. Auch an seiner Entscheidung, zum 1. September 2023 aus mehreren Pfarrgemeinden Pastorale Einheiten zu machen, hat er festgehalten, obschon er befürchtet: Überall in unserem Erzbistum wird es in den nächsten Jahren zu massiven Veränderungen kommen. Weniger Katholikinnen und Katholiken, weniger Engagierte in den Gemeinden, deutlich weniger Personal und ein erheblicher Rückgang der finanziellen Ressourcen sind die äußeren Rahmenbedingungen, die überall das kirchliche Leben massiv beeinflussen. Nirgends wird es so bleiben, wie es ist. (Rundbrief des Erzbischofs Woelki vom 25. August 2023)  

Liebe Michaela, ich teile den Pessimismus des Herrn Kardinals nicht. Dein Opa ist ein Optimist. Ich sehe die vielen positiven Elemente der Katholischen Kirche und bemühe mich nach Kräften, sie in den Vordergrund zu stellen. Bei der Herbstvollversammlung der deutschen katholischen Bischöfe in Wiesbaden-Naurod im September 2023 zum Beispiel waren zwei Schwerpunktthemen die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche und die Hilfen für die Opfer.  Die Katholische Kirche, besonders die deutsche Katholische Kirche, befindet sich seit einigen Jahren in einem positiven Umbruch.   

Wenn ich an meinen Kommunionunterricht vor mehr als 70 Jahren denke, in dem mir vor allem Sündenbewusstsein vermittelt, geradezu eingebläut wurde, dann wird es mir heute noch schlecht. Ich musste einen Sündenzettel schreiben und ihn vor der Beichte, wie alle anderen Kommunionkinder, unserem vor mir stehenden Pfarrer im Kommunionunterricht zu lesen geben. Der Kommunionunterricht heute sieht erfreulich anders aus und vermittelt die positiven Grundideen des christlichen Glaubens. Die Kommunionkinder des 21. Jahrhunderts können vor ihrer ersten Kommunion zur Beichte gehen, sie müssen es aber nicht. Und hier spiegelt sich eine Veränderung wider, die auch in der Welt der Erwachsenen zu beobachten ist. In meiner Jugend standen samstags vor den Beichtstühlen unserer Pfarrei Schlangen von Beichtwilligen, die am Sonntag zur Heiligen Kommunion gehen wollten. Heute bleiben die Beichtstühle leer, aber sonntags gehen die Christinnen und Christen in ihren Gemeinden fast geschlossen zur Kommunion.  

Michaela: Vielleicht wird heute weniger gesündigt. (Sie lacht.)  

Opa Wolfgang: Oder die vernunftgeleiteten Menschen finden ihren jeweils eigenen Weg der Buße und ihrer Versöhnung mit Gott, bevor sie in der Gestalt der Hostie den Leib Christi empfangen. Auch haben sich die Weisungen zur kirchlichen Bußpraxis geändert: Die schweren Sünden sind mindestens einmal im Jahr vor dem Osterfest zu beichten.  

Du, liebe Michaela, bist noch sehr jung. Ich bin sicher, Du wirst noch eine Katholische Kirche erleben, wie sie in ihren besten früheren Zeiten war. Einen Papst, so mutig wie Petrus. Einen Papst, der nicht als Bischof von Buenos Aires auf die Frage nach der Abschaffung des Zwangszölibats humorvolle Andeutungen macht, aber später als Papst in Rom vor den erzkonservativen Kardinälen und Bischöfen zurückschreckt, die mit Kirchenspaltung drohen.   (Als Bischof Bergoglio in einem TV-Interview gefragt wurde, ob er glaube, dass der Zölibat zeitnah abgeschafft werde, hat er den folgenden Dialog von zwei Priestern als Antwort gegeben:  Der eine Priester fragt: 'Wird ein neues Konzil den Pflichtzölibat aufheben?' Der andere: 'Ich glaube ja.' Der erste: 'Jedenfalls werden wir das nicht mehr erleben, sondern höchstens unsere Kinder.') 

Petrus war von Jesus mit den Worten auserwählt worden „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“.  Und dieser erste Papst hatte ebenso wie die Mehrheit der anderen Apostel des Gottessohnes eine Familie. Jesus hat diese Familien gekannt und als selbstverständlich akzeptiert. Er wusste, welche Stütze eine Familie für einen Apostel und für einen Priester sein kann. Auch Frauen gehörten zu dem hoch angesehenen inneren Kreis des Gottessohnes. Eine Frau war es, die als erste das leere Grab entdeckte und den ängstlichen Aposteln die Nachricht von Jesu Auferstehung brachte. Ich hoffe sehr, dass Du, meine liebe Enkeltochter, eine Kirche erleben wirst, in der ein mutiger Papst den Priestern der Katholischen Kirche wieder die Freiheit gibt zu entscheiden, wie es bis zum Jahr 1139 üblich war, eine Familie zu gründen oder ehelos zu bleiben. Eine Kirche, in der auch Frauen hohe Ämter einnehmen werden. Eine Kirche der Freiheit und der Nächstenliebe. Und die „Heiden“ werden wieder sagen: Seht, wie sie einander helfen, trösten und lieben.

Michaela: Lieber Opa, ich danke Dir herzlich für das heutige Gespräch. Ich werde auch noch mit Oma über die Evangelische Kirche reden. Mich interessieren besonders die Unterschiede zwischen den beiden Kirchen.

Opa Wolfgang: Dazu wird Dir Oma sicherlich viel sagen können. Und ich würde mich sehr freuen, wenn wir unser Gespräch fortsetzen.  Dann würde ich Dir gern beschreiben, dass Du bei Deiner kirchlichen Heimatsuche das Glück haben kannst, eine Gemeinde zu finden, in der nach christlichem Glauben und mit sehr viel ehrenamtlichem Engagement im Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand, in Ortsausschüssen und in Vereinen, in Jugend- und Altenclubs, in Jedermanns-Cafés und gemeinsamen Unternehmungen der Glaube lebendig gefeiert, gelebt und verkündet wird. Für heute, herzliche Grüße an Deinen lieben Freund Manuel. Oma und ich werden auch dafür beten, dass Du und Manuel ein glückliches Ehepaar werdet.  

Michaela: Noch einmal: Großen herzlichen Dank für Deine Geduld und Deine hilfreichen Erläuterungen. Wenn wir uns wiedersehen, möchte ich sehr gern mit Dir über den Stand meiner Suche nach einer christlichen Heimat sprechen. Liebe Grüße an Oma. Und, wie es so schön bei Shakespeare heißt, wenn wir uns wiedersehen, werden wir lächeln.  

Das Gespräch als pdf-DAtei

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