Post aus Brasilien ...

13.12.19, 00:04
Johannes Skorzak

Liebe Siegburger /-innen, Bekannte und Freunde!

Johannes Skorzak (c) AMARE

Vielen bin ich nicht bekannt. Deswegen stelle ich mich kurz vor. Ich bin Johannes Skorzak, Siegburger, durch Geburt im Jahre 1956 und im Herzen bis heute. Zusammen mit meinen Geschwistern im Stadtteil Wolsdorf aufgewachsen, ging ich in die Kath. Volksschule und später auf das Jungengymnasium Zeithstrasse, heute Annogymasium, an dem ich 1975 das Abitur ablegte.
In St. Dreifaltigkeit war ich über viele Jahre Messdiener bei Pfarrer Johannes Ley. Gerne war ich dabei. Ich spüre eine tiefe Sehnsucht nach den Zeiten der Volkskirche, in der der Gottesdienst ganz selbstverständlich der Mittelpunkt für uns als Kinder und Heranwachsende bildete. Die Kirche war nicht nur Mittelpunkt des Dorfes, sondern auch allen Geschehens. So machte ich als Schulkind ganz selbst verständlich beim Martinssingen und der Sternsingerkampagne für die notleiden Kinder in der Welt mit.

Im Jahre 1980 habe ich, nach der Beendigung meines Philosohie- und Theologiestudiums in Bonn und Luzern in der Schweiz, in Pedro Segundo im Nordosten Brasiliens ein Pastoral- und Sozialpraktikum angetreten. Dazu hatte mich der Siegburger Pfarrer Norbert Herkenrath gebracht, welcher über viele Jahre eine leidenschaftliche Missionsarbeit in Brasilien leistete. An seiner Seite habe ich pastoralen und humanitären Einsatz unter den Opfern einer unvollstellbar harten Dürre- und Hungerskatastrophe ausgerichtet. Dieses Erlebnis unter den Ärmsten und Verhungernden hat mich emotional schwerstens mitgenommen und meinen weiteren Lebensweg bestimmt. Es war ein Schock, der mir unter die Haut gefahren ist. Darauf gab ich mein Vorhaben auf, in Deutschland Pfarrer zu werden und begann unverzüglich, mit deutschen Freunden, Hilfeleistungen für die hungernden Menschen zu organisieren.
Norbert Herkenrath, mein Lehrmeister, wurde 1982 nach Deutschland zurückberufen. Er wurde von den deutschen Bischöfen zum Geschäftsführer des Hilfswerkes Misereror gemacht. Ein junger Priester aus Esperantina, einer Nachbarstadt, lud mich darauf hin, ein. Ich ging ohne alle persönliche Sicherung. Es war sehr schwer, besonders im Anfang. Entbehrung, Einsamkeit, Verzweiflung und Krankheit verbergen sich dahinter in schmerzhafter Erinnerung. Ich hätte mir in diesen Zeiten nie vorstellen können, eine so lange Zeit in den Tropen lebend zu überstehen.
Auch wenn es mir oft ganz und gar nicht so schien, es hat mich das Vertrauen an unseren Vater im Himmel getragen und daran, dass er mich bei diesem Einsatz nicht alleine lässt. Die Not der Menschen um mich herum war herzzerreisend. Sie wurde mir zu einem starken Handlungsantrieb und hat mich aus meiner lamoyance hochgerissen.

Favelakinder (c) Johannes Skorzak

Hunderte von Kindern machten in den achtziger und neunziger Jahren die Strassen Esperantinas zum Ort ihres Ringens ums nackte Überleben. Sie bettelten, klauten, arbeiteten im Steinbruch oder im Schlachthof.
Im Jahre 1990 begann ich, zusammen mit jungen, gleichgesinnten Idealisten aus Esperantina eine Kampagne um Strassenkindern, das Mindeste zum Überleben, zu ermöglichen.

Wir organisierten Sympathisantengruppen, redeten mit Bürgermeister und Stadtbeamten und baten überall um Mithilfe und Spenden. Damals waren wir für die meisten in Esperantina nur junge Spinner. Und in der deutschen Heimat auch. Am 9. Mai 1990 wurde AMARE, Verein für die bedürftigen Minderjährigen Esperantinas, unter diesen Umständen gebildet.Anfänglich trafen wir uns auf einem brachen Grundstück am Stadtrand. Im Schatten von Palmen formierten wir die ersten Kindersitzgruppen aus Baumstämmen. Mit Improvisationsbegabung und dem entbehrungssreichen Einsatz eines knappen Dutzend von Freiwilligen gelang es, den ersten verwahrlosten und heimatlosen Kindern menschliche Nähe und warme Mahlzeiten zu vermitteln. Unicef und die Welthungerhilfe wurden als erste Partner auf unsere damals bescheidene Arbeit aufmerksam und gaben uns die erste finanzielle Unterstützung.
Nachdem mein Vater 1996 Witwer wurde, veranlasste mich das, meinen Vater regelmässig zu besuchen. Damit war mir die Gelegenheit geboten, Bekannte und Freunde in Siegburg öfter zu besuchen. Ganz langsam gewann AMARE Aufmerksamkeit in der Siegburger Heimat, zuerst bei der katholischen Frauengemeinschaft in Wolsdorf. Sie gründeten im Jahre 1996 auf Initiative der damaligen Siegburger Amtsrichterin Elisabeth Winkelmeier-Becker den Förderverein Amare e.V. Mit der engagierten Unterstützung aus der Heimat konnte sich AMARE nachhaltig entwickeln.

Kinder in AMARE (c) Johannes Skorzak

Das Kinder- und Jugendhilfsprojekt AMARE feiert im Jahre 2020 seinen 30. Gründungstag. Heute werden im Doppelturnus annäherd 500 Kinder und Jugendliche betreut, welche sich in sozialer Verwundbarkeit befinden und unter Gewalt, Vernachlässing und Hunger leiden. Sie werden in ihrer psychosozialen Not aufgefangen. In multidisziplinären Angeboten wie Berufskursen, Sport, Musik, Handwerk, Computereinführung, Tanzen und Theater entdecken sie ihre Talente.

Durch tägliches Gebet und in Werkstätten für ethische Wertebildung werden sie auf ihr Leben in Beruf und Gemeinschaft vorbereitet. Damit werden Freunde, die uns unterstützen, in den Händen Gottes zu seinen Werkzeugen. Dann werden die, früh vom Leid geprüften, Kinder und Heranwachsenden Vertrauen gewinnen und „Vater unser im Himmel“ beten und sich als seine geliebte Kinder fühlen können.
In diesem Jahr sind uns die staatlichen brasilianischen Fördermittel gestrichen worden, weil wir uns dem Versuch der Stadtverwaltung widersetzt haben, uns politisch gleichzuschalten. Ohne deutsche Unterstützung wären wir Gefahr gelaufen, AMARE schliessen zu müssen.
Dazu haben in den letzten Jahren Siegburger Katholiken aus St. Servatius mit der Sternsingeraktion beigetragen.

Ihnen allen in der Siegburger Heimat wünschen wir, Mitarbeiterteam, meninos und meninas,
ein frohes Weihnachtsfest!

Kirchengemeinde St. Servatius

Mühlenstraße 6
53721 Siegburg

Notruf für Krankensalbung:
0152-02697547

Das Pastoralbüro ist für den Publikumsverkehr geöffnet:

Mo - Do       09:30 - 13:00 Uhr
Fr                  09:30 - 12:00 Uhr

Neuigkeiten

Online-Befragung zum Thema Prävention

25. April 2024, 21:00
Ihre Wahrnehmungen, Erfahrungen und Einschätzungen zur Prävention und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in kirchlichen Kontexten sind gefragt.
Weiter lesen

Weinstock

24. April 2024, 18:00
Es gibt sicher noch ganz viel zu tun…werden wir kreativ und aktiv mit Gottes Hilfe.
Weiter lesen

Empfehlen Sie uns